In Deutschland wurde es langsam aber stetig immer wärmer, die Menschen machten wieder Ausflüge ins Freie und nutzten die Zeit mit Familie und Freunden. Währenddessen bemerkte man gar nicht, was auf den Feldern und Wiesen um einen herum passierte: Der voranschreitende Einbruch des ökologischen Gleichgewichts.

Das Leben von Menschen und Insekten könnte nicht unterschiedlicher sein, weshalb oft vergessen wird, welche bedeutende Rolle sie für uns spielen. Etwa 80% der Wildpflanzen und zwei Drittel der 100 wichtigsten Kulturpflanzen sind auf die Bestäubung von Insekten angewiesen. Betrachtet man ihre natürliche Arbeit als Dienstleistung, so würde sie allein Europa über 14 Milliarden Euro kosten. Trotz der großen Bedeutung von Insekten für ihre Umwelt werden sie doch immer mehr zum Opfer des, so scheint es, ungeklärten Phänomen des Insektensterbens. Der Karlsruher Entomologenverein hat die Biomasse von Fluginsekten verglichen, die zwischen 1989 und 2016 in Standard-Flugfallen gefangen wurden. Bei den Untersuchungen stellte sich ein Rückgang von 76-82% in deutschen Schutzgebieten heraus. Auch auf europäischen Wiesenlandschaften finden sich ähnliche Werte, dort wurde in der Zeitspanne von 1990 zu 2011 eine Reduzierung der Schmetterlingsbeständen von ca. 50% beobachtet. Solche Zahlen werfen die Frage auf, wer oder was dafür verantwortlich ist. Politik und Wissenschaft sind sich nicht sicher, welcher der vielen Faktoren der Ausschlaggebende ist, doch es ist eindeutig, dass Pflanzenschutzmittel gegen den Artenschutz wirken.

Das weltweit meist-verbreiteste Mittel ist Glyphosat, ein Herbizid, welches sich primär gegen das Wachstum von Unkräutern richtet. 5.000-6.000 Tonnen Glyphosat werden jährlich in Deutschland verbraucht, so die Antwort der Bundesregierung auf eine Nachfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, über die Folgen von Pestizidwirkstoffen auf Bestäuber und die Umwelt im Jahr 2015. Was das Insektensterben betrifft ist Glyphosat zwar nicht auf dem ersten Platz, in seiner Schädlichkeit ist es jedoch nicht weniger schlimm, denn die WHO stufte Glyphosat als „wahrscheinlich Krebs erregend“ ein. Eine Einschätzung, welche die EU zurückweist, um den weiteren Verbrauch des Stoffes zu sichern. Dass Glyphosatrückstände in den Lebensmitteln des Verbrauchers nachgewiesen werden können und die gesundheitlichen Schäden, die aus dem Kontakt von Toxinen und einem Organismus resultieren, werden ignoriert. An der Universität Leipzig wurden die Organe missgebildeter Ferkel untersucht und es werden klare Verbindung zwischen Glyphosat und den nicht lebensfähigen Neugeborenen gezogen. Die Ergebnisse aus Leipzig sind deckungsgleich mit denen einer argentinischen Studie, die den Effekt von Glyphosat auf Embryos von Amphibien untersuchte. Es stellte sich heraus, dass die Chemikalie gravierenden Einwirkung auf die Ausbildung des Gehirns hat und unterstützt somit die Annahme, dass das Pflanzengift ebenfalls Behinderungen und Missbildungen bei Menschen auslösen kann. Die Zahlen häufen sich bei Menschen, die in Gebieten mit intensivem Glyphosatverbrauch leben, wie es in Argentinien und Paraguay der Fall ist.

Ein weiteres Mittel, das ebenfalls in der Anfrage von 2015 enthalten war, ist die Wirkstoffgruppe der Neonicotinoide, kurz Neonics, die direkt auf den Organismus und dessen Gesundheit einwirken. Neonics sind Nervengifte, die Agrarkulturen insbesondere vor Insekten wie Blattläusen schützen soll. Bestäuber, wie Bienen, Hummeln, Schmetterlingen usw. fallen in diesem Kontext unter „Nicht-Zielorganismen“. Hersteller müssen zwar prüfen, ob Organismen an ihrem Wirkstoff sterben, nicht jedoch, welchen Einfluss sie auf ihr Verhalten haben. Das hat zur Folge, das viele Neonics genutzt werden, obwohl sie einerseits die Fruchtbarkeit und das Paarungsverhalten und andererseits das Gedächtnis von Bestäubern negativ beeinflussen. Randolf Menzel, ein Neurobiologe an der freien Universität Berlin, untersuchte in diesem Zusammenhang die Einwirkungen des Nervengiftes bei Honigbienen auf neurologischer Ebene. Über Pipetten wurde den Honigbienen ein mit Neonicotinoiden vermengtes Zuckerwasser verabreicht, um danach ihre Gedächtnisleistung zu überprüfen. Das sonst so gut ausgebildete Erinnerungsvermögen und der damit einhergehende Orientierungssinn wurden bei Feldversuchen als stark eingeschränkt beobachtet. Daraus schließen die Wissenschaftler, dass Honigbienen sich auf der Suche nach Nahrung verirren und verwirrt den Weg zurück zum Nest suchen. In den meisten Fällen sterben sie dabei an Übermüdung. Da der Bedarf und die verwendete Masse an Pflanzenschutzmitteln stetig steigt, verbreiten sich die Stoffe auch über den landwirtschaftlichen Betrieb hinaus. Somit treten Insekten selbst in Schutzgebieten mit den Giften in Kontakt und es lässt sich kein absolut giftfreier Raum mehr für sie finden.

Trotz der alarmierenden Daten und den aufschreienden Experten scheint sich nichts zu verändern. Die Politiker verlängern Zulassungen, um weitergehend eventuelle negative Folgen zu untersuchen und um der Agrarlobby genüge zu tun. Und während Bauern für weitere fünf Jahre ihre Felder mit Gift besprühen, dezimieren sich die Bestände von Generation zu Generation immer weiter. Der einzig logische Lösungsansatz scheint immer noch zu abwegig: Den Gebrauch von (neonicotinoidhaltigen) Pflanzenschutzmittel zu verbieten. David Goulson, ein Dozent an der University of Sussex hat die Problematik gegenüber dem Geo-Magazin treffend ausgedrückt, „Wir reden über die Möglichkeit, dass Insektizide Insekten töten, das scheint mir nicht weit hergeholt.“

Quellen: 

http://www.faz.net/aktuell/wissen/leben-gene/insektensterben-75-prozent-weniger-insekten-in-deutschland-15250672.html

https://www.geo.de/magazine/geo-magazin/15815-rtkl-tatort-wiese-pestizide-und-das-ende-unserer-insekten

https://www.welt.de/politik/deutschland/article171533767/Der-Glyphosat-Streit-ist-laengst-noch-nicht-vorbei.html

https://www.keine-gentechnik.de/fileadmin/files/Infodienst/Dokumente/2015_10_28_Antwort_Bundesregierung_Neonikotinoide_Glyphosat_Absatzmengen_bis_2014.pdf

https://www.mdr.de/investigativ/video-123774.html